Fast keine Rezension zu diesem Buch kommt ohne den Verweis auf Dunkelgrün fast Schwarz aus, den ersten Roman von Mareike Fallwickl. Soviel einmal vorweg: Nein, ich habe ihn nicht gelesen. Ich bin Quereinsteigerin. Dies hier war mein erster Streich. Und wisst ihr was? Das Buch hat mich bereits auf der ersten Seite gefesselt. Und zwar, weil es so provokant und direkt beginnt. Maximilian Wenger, ein Schriftsteller am Ende seiner erfolgreichen Zeit, sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher und onaniert zu Rote Rosen. Aber es gelingt ihm nicht. Rote Rose – Tote Hose. Er jammert über sich selbst.
Die Geschichte wirft den Leser direkt hinein ins Leben der Salzburger Oberschicht. Schnell wird klar – wo Geld keine Rolle spielt, ist das Leben trotzdem nicht sorglos. Die Familie, um die sich alles dreht, hat die gleichen Probleme, wie viele anderen Familien auch. Es geht um Trennung, Absturz und Wiederneubeginn, um das Erwachsenwerden und Erwachen von Teenagern. Es geht um die Suche nach dem eigenen Weg und das Erkennen von Liebe. Doch das ist nicht alles. Hier werden Machtspiele, Egoismus und Missbrauch auf den Tisch gelegt. Das Licht ist hier viel heller ist ein vielschichtiger, unbequemer Roman. Er besteht aus drei Handlungssträngen, die thematisch geschickt miteinander verwoben sind:
Da wäre der erwähnte Herr Wenger, ein Schriftsteller im Afterglow, nach dem Karrieresturz, nach Jetset und One-Night-Stands, nach Shitstorm und Eklat. Er versinkt in seiner Vorstadtwohnung in Selbstmitleid, nachdem er den Scheidungskrieg mit seiner Exfrau schwer lädiert überstanden hat. Diese bewohnt jetzt die ehemals gemeinsame Villa mit ihrem jüngeren Liebhaber. Wenger kreist um sich selbst und bedauert sich derart, dass die süffisanten Kritiker fleißig wortschöpfen und behaupten: „Er wengert wieder.“ Wird er noch einmal aufstehen und glänzen?
Dann ist da Zoey, Wengers Tochter. Gemeinsam mit ihrem Bruder Spin besucht sie den Vater. Schnell ist klar, dass dieser den Bezug zu seinen Kindern verloren hat und dass er sie kein bisschen versteht. Zoey und Spin sind dabei, erwachsen zu werden und haben Probleme, die ihr Vater nicht nachvollziehen will oder kann. Auf fast ironische Weise lässt Fallwickl den Vater und seine Kinder in ihrem gegenseitigen Verständnis derart aneinander vorbei schrammen, dass man sich beim Lesen die Hand vor den Kopf schlägt.
Die alles verändernden Briefe einer Unbekannten bilden die intensivste, die dritte Ebene des Buches. Sie sind eigentlich an den vorherigen Mieter der Wohnung adressiert. Doch Wenger öffnet sie völlig schmerzfrei und liest. Sie sind so sprachgewaltig, dass ich sie mehrmals und intensiv gelesen habe. Da schreibt eine Frau, wutentbrannt und feinfühlig, poetisch und abstoßend zugleich. Mit jedem Brief begreift man mehr, was passiert ist. Sie sind ein Aufschrei und Schlussstrich zugleich. Zufällig liest auch Zoey die geöffneten Briefe. Für Vater und Tochter beginnt von da an etwas Neues. Doch ihre Reaktionen könnten unterschiedlicher nicht sein.
„Erinnerst du dich, dass Worte scharf sein können wie Messer? Weißt du noch um ihre Macht, um diese Schlingen, die sich auf dich legen, mit Eisenspitzen, die dir die Haut aufbrechen und die Knochen? Ich will eine Schlinge sein, ich will ein Messer sein, in Eisen gegossene Unbarmherzigkeit. Ich will dich aufbrechen, ich habe zu lange geschwiegen. Öffne deine Augen. Schau her. Schau nicht mehr weg. Jetzt ist die Stunde für meine Worte. Jetzt ist die Stunde für meine Rache.“
Dieser Roman ist so vielgestaltig wie das Leben, wirft gleich mehrere Blicke hinter die verschiedenen Kulissen unserer Zeit. Dabei schärfen gerade die Gegensätze unsere Wahrnehmung. Social Media versus analoge Fotografie, männliche und weibliche Macht, Liebe und Verrat. Das alles herunter gebrochen auf eine Stadt, eine Familie, einen kleinen Kosmos.
Hier habt ihr ein gutes Buch! Absolut schonungslos und sprachgewaltig – und ganz nebenbei bemerkt – verpackt in ein grandioses Buch-Cover der Frankfurter Verlagsanstalt. Und… Klar! Dunkelgrün fast Schwarz wartet auf mich 🙂
Wow, das ist mal eine Rezension die mich neugierig macht. Danke Chrissi! Ich muss zwar noch einiges an Lesestoff aufarbeiten, doch werde ich versuchen mich auch von diesen ersten Seiten in das Buch hineinziehen zu lassen. Ich bin gespannt. LG Ö
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