Ich überlege, wie ich dieses außergewöhnliche Buch rezensieren soll, ohne vorher zu viel zu verraten. So viel sei gesagt: Drei lässt sich nicht einfach in eine literarische Schublade stecken. Offiziell wird die Geschichte vom Diogenes Verlag als Roman betitelt und beschreibt die Geschichte von drei Frauen. (Ah. Titel gecheckt!) Ich persönlich halte die Story für eine besondere Form des Kriminalromans.
Der Erzähler nimmt sich Zeit, um uns im ersten Kapitel am Leben von Orna teilhaben zu lassen. Sie lebt in Tel Aviv mit ihrem 10-jährigen Sohn Eran. Ihr Mann, Ronen, hat sie verlassen und meldet sich nicht mehr. Orna ist verzweifelt und konzentriert sich darauf, ihrem Sohn bei der Trennung von seinem Vater beizustehen und gleichzeitig ihre Gefühle für ihren Ex-Mann vor ihm zu verbergen. Sie will eine gute Mutter sein. Dann lernt sie jemanden über eine Dating-Plattform kennen. Sehr zögerlich beginnt sie eine Beziehung mit Gil, einem Anwalt mit kleiner Kanzlei. Doch irgendetwas passt nicht. Etwas an seinen Geschichten, die er Orna über sein Leben, über seine Frau und die zwei Töchter erzählt, scheint nicht ganz zu stimmen. In intimen Situationen verhält er sich angespannt. Mit der Undurchsichtigkeit, ja fast Unpersönlichkeit von Gil entwickelt sich eine subtile Spannung. Als Orna klar wird, dass sie diese Beziehung beenden muss, beginnt der Roman, sich plötzlich in eine Kriminalgeschichte zu verwandeln.
Kriminalliteratur bedient sich ja meistens einer recht einfachen Sprache. Oft nutzt sie die Mundart ihrer Kommissare oder die eines besonderen Milieus. Drei ist modern angelegt und anders. Ganz im Stil eines Romans, gelingt es dem Autor mit seiner feinsinnigen Sprache eine erzählerische Atmosphäre zu schaffen. Wir tauchen ein in das Leben von Frauen, die ihren Alltag umgestalten müssen und verzweifelt nach einem Ausweg aus ihrer Situation suchen. Alle drei Frauen beginnen zu unterschiedlichen Zeiten eine Beziehung zu Gil.
Im zweiten Kapitel muss Emilia, eine gebürtige Lettin, die als Pflegekraft nach Tel-Aviv gekommen ist, von vorne beginnen. Liebevoll hat sie den Vater Gils bis zu dessen Tod gepflegt. Nun ist sie gezwungen, eine neue Anstellung zu finden. Ihre angespannte finanzielle Lage wird noch durch ihren illegalen Aufenthalt in Israel erschwert, einem Land, das ihr fremd bleibt. Als Gil ihr bei der Suche nach Arbeit hilft, lernen sich die beiden näher kennen. Sie begeht die gleichen Fehler wie Orna, doch ihr sozialer Stand macht sie noch verwundbarer. Es wäre sehr einseitig gewesen, hätte das Buch im dritten Kapitel die gleiche Handlung mit neuer Figur abgespult. Es kommen jedoch plötzlich völlig neue Aspekte hinzu und die Geschehnisse werden aus anderer Perspektive voran getrieben.
Was mir in diesem Roman auch als intellektuelles Nervenfutter gedient hat, war, dass Mishani sehr gekonnt mit Zeiten und Perspektiven jongliert. Es ist zum Beispiel eines der wenigen Bücher in denen man die Zeitform Futur liest. An einer Stelle spricht der Erzähler auch noch das erste Opfer persönlich an, was den Spannungsbogen und Bezug zu den voran gegangenen Ereignissen aufrecht erhält:
„Die dritte Frau wird er in dem Café in Givatayim treffen, in dem er mal mit dir gewesen ist, Orna. Sie wird jeden Morgen wenige Minuten nach acht dort eintreffen und immer am selben Tisch in der Ecke der Terrasse sitzen, die den Winter über verglast ist. Er wird etwa eine halbe Stunde nach ihr in das Café kommen, anfangs nicht an jedem Morgen, sondern nur ein-, zweimal die Woche, auf dem Weg ins Büro.“
Man merkt, dass sich Dror Mishani seit Jahren mit Kriminalliteratur beschäftigt. Er verwischt die Grenze zwischen Kriminalgeschichte und Roman. Er geht neue Wege, spielt mit der Erwartungshaltung des Lesenden und macht sich auf diese Weise Überraschungseffekte zu eigen. Dennoch behält er, wenn es am schlimmsten kommt, wichtige Elemente des Krimis bei. Ich habe zum Beispiel gemerkt, wie wichtig es ist, dass in einem Kriminalroman irgendwann ein Ermittler auftaucht, einer, der energisch der Wahrheit auf der Spur ist. Die Gegenwart von Recht und Gesetz in Person hat mich doch sehr erleichtert.
Noch eine Bitte zum Schluss: Lieber Diogenes Verlag. Ihr seid toll. Ich liebe eure Bücher. Doch das wievielte Cover mit einer Frau und Blumen ist das jetzt? Zugegeben, der Wieder-Erkennungswert eurer Titelseiten, der markante, immer gleiche, feine Rahmen mit dem gleichen Bildbereich, ist hoch. Visuell kann ich nur leider keine Verbindung von der liegenden Dame zum Inhalt des Buches herstellen. Ich würde mir wünschen, es wäre so. Oder bin ich da altmodisch?
Meine Empfehlung: Lesen!
ISBN: 978-3-257-07084-2
Hallo Chrissi liest! Du hast mir voll Lust auf das Buch gemacht und es kommt sofort auf meine Lese-„to do“-Liste!
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Das ist schön! Viel Freude dabei.
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