Die Liebe ist wohl der größte Auslöser für Menschen, zu schreiben und zu erzählen. Es gibt tausend Romane darüber, wie Liebe entsteht, wie sie Gefühle zum Explodieren bringt, über Vergeblichkeit und Verzehren und auch über Verzagen und Enttäuschung. Doch was liegt zwischen der Freude des Anfangs und dem traurigen Ende der Liebe?
Dieser Frage geht die Potsdamer Autorin Julia Schoch in ihrem autofiktionalen Roman Das Liebespaar des Jahrhunderts nach. Dabei startet sie von hinten:
„Ich verlasse dich. Ich weiß nicht genau, wann ich den Satz zum ersten Mal gedacht habe. Und wie viele Male seither. Ich habe ihn sehr lange geübt. Irgendwann fangen bestimmte Vorstellungen an, einem so vertraut zu sein wie das eigene Gesicht, das man jeden Morgen im Spiegel erblickt.“
Das Ende der Liebe nach 31 Sommern ist da – wie konnte es dazu kommen und wo ist die Liebe hingegangen? Der Spur zurück folgend, schildert die Ich-Erzählerin ihr gemeinsames Leben mit dem Partner, indem sie chronologisch angeordnete Stationsfähnchen positioniert, an denen sie jeweils die Lupe auf den Daseins-Zustand der Beziehung legt. Im Dialog mit dem Geliebten (und gleichzeitig ihre Gedanken in Klammern reflektierend) bin ich dem Sog ihrer wunderbaren Erzählstimme gefolgt.
Jede dauerhafte Beziehung verändert sich im Fluss der Zeit. Früher war man gesund, später kommen die Krankheiten. In jungen Jahren hat man nicht viel, mit dem beruflichen Erfolg steigert sich der Konsum. Früher rastlos reisend – später sicher gefangen. Kinder und Karrieren kommen – Freundschaften gehen. Die Erzählerin erhebt eine skurrile Beziehungs-Statistik mit 912 Halma-Partien, 281 Friseurbesuchen, 8 gekauften Laptops und 42 Reisen. Es ist einer der vielen Momente, in denen sie zahlreiche Liebesjahre in Bildern einfängt.
Kann Liebe überhaupt verschwinden oder verändert sie nur ihren Zustand? Aus diesem Blickwinkel war es für mich sehr spannend, dem Ende der Liebe nachzuspüren. Doch da sind auch noch mehr Fragen: Wer ist man, wenn man so lange liebt? Ist man eins oder zwei? Wäre es besser gewesen, wenn man sich an dieser oder jener Stelle anders entschieden hätte?
„Nimmt eine Beziehung Fahrt auf, je länger sie dauert? Ist sie nicht eher ein Schleppnetz, in dem mit den Jahren immer mehr hängen bleibt und das vor lauter Prallheit irgendwann zu reißen droht? Hat man nicht davor Angst? Dass all die Einzelteile wegtreiben, dass sie eins nach dem andern verloren gehen in den Weiten des Ozeans, der die Zeit ist?“
Dieser Roman ist wie ein philosophisches Nachschlagewerk, das man immer wieder öffnen kann und auf jeder Seite mindestens eine Wahrheit entdeckt. Beim Lesen habe ich mir erhofft, die Liebe würde überdauern. Das Ende war eine Überraschung. So freue ich mich auf die Fortsetzung der Trilogie.
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